Im Gesundheitswesen ist es entscheidend, gut zu verstehen, was den PatientInnen in ihrer Gesundheitsversorgung wichtig ist. Es liegt auf der Hand, dass ein erfolgreiches Ergebnis wichtig ist. Der Weg dorthin ist allerdings eine emotional herausfordernde Zeit für jede/n PatientIn. Wird schlecht mit dieser Phase umgegangen, kann das die Wahrnehmung der PatientInnen bzgl. ihres Behandlungsergebnisses beeinflussen, auch wenn das Ergebnis objektiv betrachtet positiv ist. Es gibt eine klare Korrelation zwischen erfolgreichen Behandlungsergebnissen, die seitens der PatientInnen berichtet werden (sogenannte PROMS), und einer positiven Erfahrung im Gesundheitswesen, die ebenfalls durch die PatientInnen berichtet wird (sogenannte PREMS). Das trifft so stark zu, dass es mittlerweile Gang und Gäbe ist, im Gesundheitswesen regelmäßig das Feedback der PatientInnen zu diesen beiden Bereichen einzuholen. ÄrztInnen, die mit PatientInnen im Rahmen der Behandlung zu tun haben, müssen ihre PatientInnen auffordern, Feedback sowie Hinweise, die für die Diagnose bedeutend sein könnten, offen mitzuteilen.
Um die Bedeutung der Rolle der PatientInnen in ihrer eigenen Behandlung besser zu verstehen, beziehen wir uns auf die Forschung von Avedis Donabedian. Donabedian, praktizierender Arzt, Forscher und Begründer des Modells zur Qualität in der Pflege, erstellte ein Modell aus drei spezifischen Bereichen: Struktur, Prozess und Ergebnis. Im Bereich des Prozesses unterschiedet er dabei weiter zwischen den Bereichen Interaktion, Untersuchung, Behandlung und Beratung. Das ist die Phase der medizinisches Versorgung, in der PatientInnen und ÄrztInnen am meisten interagieren und in der der reibungslose Informationsfluss essenziell ist. Die erfolgreichsten ÄrztInnen sind in der Lage, ihren Kommunikationsstil und ihren Ansatz an jede/n PatientIn anzupassen. In seinem Artikel The Lichfield Lecture schrieb Donabedian: „Wenn wir den VerbraucherInnen helfen können, uns zu helfen, dann tragen wir deutlich zur Verbesserung der Qualität in der Gesundheitsversorgung bei, während wir unsere Dienste leisten.“
Neuere Untersuchungen von PatientInnenfeedback durch das HealthTechUnternehmen Doctify haben gezeigt, dass fünf Schlagwörter in den PatientInnenbewertungen der besten ÄrztInnen wiederholt auftauchen. Doctify wurde 2014 gegründet, weshalb dieser Datensatz die aktuellen Erwartungen und Prioritäten von PatientInnen zur Zeit des Eintritts in die Corona-Krise widerspiegelt. Mit diesen Erkenntnissen können ÄrztInnen einschätzen, was ihre PatientInnen schätzen, eine gute Beziehung aufbauen und klare, offene Kommunikation im Behandlungsprozess fördern. Das führt zu zufriedenen PatientInnen und besseren Ergebnissen.
Nummer fünf – Covid-Vorschriften
Im Feedback der PatientInnen hat die Erwähnung der Corona-Vorschriften deutlich zugenommen und das zeigt, dass das Thema für die PatientInnen sehr schnell sehr wichtig geworden ist. Die Erwähnung von Desinfektionsmittel, Masken und Handschuhen in den Bewertungen auf der Bewertungsplattform Doctify hat seit 2020 deutlich zugenommen. Eine Bewertung der Londoner Herzklinik in der Harley Street zeigt, dass Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 mittlerweile eine neue Priorität für PatientInnen geworden sind. Der Patient schrieb darin: „Ich möchte hervorheben, wie ernst sie die Covid-19- Hygienevorschriften seit Beginn der Pandemie nehmen. Während eines Nachsorgetermins im Frühjahr verlangte die One Heart Clinic das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, verteilte Handschuhe, stellte reichlich Desinfektionsmittel zur Verfügung und begrenzte die Anzahl der Wartenden im Wartezimmer deutlich“. Manche PatientInnen schreiben längere Bewertungen, in denen sie die Einhaltung der Hygienevorschriften betonen, wobei diese auch in kürzeren Bewertungen hervorgehoben wird. Ein Patient, der in einem Prostatazentrum behandelt wurde, schrieb ganz einfach: „Gute Einhaltung der Covid-19-Hygienevorschriften“. Egal, ob in längeren Beiträgen oder in kürzeren, es ist offenkundig, dass die PatientInnen großen Wert auf die Einhaltung der Hygienevorschriften legen.
Nummer vier – Höflichkeit
Die sozialen Gepflogenheiten der medizinischen Konsultation oder auch das, was die PatientInnen als Höflichkeit bezeichnen, ist ein vielfach untersuchter Bereich der Beziehung zwischen ÄrztInnen und ihren PatientInnen. Die Höflichkeitstheorie von Penelope Brown und Stephen Levinson wird oft auf den medizinischen Bereich angewandt. Sie fordert, dass ÄrztInnen ihre Höflichkeit an die Tragschwere der Informationen, die sie den PatientInnen mitteilen, anpassen. Wenn beispielsweise eine unheilbare Diagnose weitergegeben wird, dann ist „Höflichkeit“ oder das Bedürfnis, „das Gesicht zu wahren“ unangebracht. Übermäßig höfliche oder indirekte Sprache schränkt bewiesenermaßen die Wirkkraft wichtiger Informationen ein. ÄrztInnen müssen ihren ärztlichen Diskurs an die Bedürfnisse der PatientInnen anpassen, die in dem Moment vor ihnen sitzen. In einem typischen Gespräch zwischen ÄrztInnen und ihren PatientInnen bedeutet das normalerweise, höflich und zuvorkommend zu sein. Die PatientInnen bevorzugen im Allgemeinen, mit ihrem Nachnamen angesprochen zu werden und ein wenig höflichen und respektvollen Small Talk eingangs abzuhalten. Doctify hat herausgefunden, dass mehr als 3000 positive Bewertungen Begriffe wie „sehr professionelle und nette MitarbeiterInnen“, „Sehr höflicher, freundlicher und herzlicher Arzt“ oder „Stets höflich, professionell und dennoch nahbar“ enthalten. In Anbetracht der umfassenden Forschung in dem Bereich, ist es wenig überraschend, dass MedizinerInnen sich auf soziale Konventionen berufen, im die Verbindung zu ihren PatientInnen aufzubauen.
Nummer drei – Erklärung
Analysen der PatientInnenbewertungen auf Doctify zeigen, dass Begriffe, die mit medizinischen Erklärungen in Zusammenhang stehen, über 22.000 Mal verwendet wurden. Über die letzten sieben Jahre entspricht das einem Durchschnitt von acht Bewertungen pro Tag, die sich darauf beziehen, wie gut die ÄrztInnen kommunizieren und Diagnosen oder Prognosen erklären. Das ist natürlich eine Priorität für die PatientInnen und sie wissen es sehr zu schätzen, wenn es gut umgesetzt wird. Eine faszinierende Studie von Akihito Hagihara und Kimio Tarumi hat gezeigt, dass die Behandlungsergebnisse besser sind, wenn die PatientInnen die Erklärungen der ÄrztInnen höher bewerten als die ÄrztInnen selbst. Gleichermaßen waren die Ergebnisse schlechter, wenn die ÄrztInnen ihre Erklärungen höher bewerten als die PatientInnen. Anders ausgedrückt wirkt sich die Qualität der Erklärungen so wie die PatientInnen sie wahrnehmen (nicht die ÄrztInnen) positiv auf das Ergebnis aus. Das mag logisch erscheinen, diese Forschungsergebnisse zeigen den Wert klarer Erklärungen nicht nur für das Verständnis der PatientInnen, sondern auch für die Behandlungsergebnisse. Auch hier kann das Feedback kurz und knapp sein, so wie das PatientInnenfeedback der Gastroenterologie in West Kent: „Er hat die anstehenden Tests klar erklärt“ und „Ausgezeichnete und umfassende Untersuchungen und Diagnosen”. In anderen Fällen kann das Feedback sehr umfassend sein und sich genauestens auf die Erklärungen der ÄrztInnen beziehen, so wie im Fall des Gynäkologen Hr. James Nicopoullos: „Ich habe mich bei Herrn James Nicopoullos sehr gut aufgehoben gefühlt. Er hat mir bei meinem ersten Termin sehr geduldig zugehört, alles sehr genau erklärt und all meine Fragen beantwortet“. Unabhängig von der Länge des Feedbacks sind die Erklärungen der ÄrztInnen in einer großen Anzahl von Bewertungen enthalten. Das zeigt, wie wichtig den PatientInnen dieser Aspekt der ärztlichen Beratung und Behandlung ist.
Nummer zwei – Freundlichkeit
Die Tage des netten Nachbarschaftsarztes scheinen der Vergangenheit anzugehören. Können viel beschäftigte ÄrztInnen überhaupt realistischerweise freundliche informelle Beziehungen zu ihren PatientInnen aufbauen? Und selbst wenn sie das können, hat es einen Mehrwert, diese Beziehungen aufzubauen? Aus PatientInnenperspektive scheint ein Mehrwert gegeben, wenn eine freundliche Atmosphäre herrscht. Mehr als 22.000 Bewertungen von PatientInnen auf der Doctify-Plattform erwähnen den Begriff „Freundlichkeit“. Das zeigt, dass ÄrztInnen auch danach bewertet werden, wie gut sie diese Beziehung im Behandlungszimmer aufbauen können. Untersuchungen zeigen, dass eine entscheidende Möglichkeit, Freundlichkeit zu zeigen, dann gegeben ist, wenn die PatientInnen existenzielle Ängste haben, die nicht direkt mit ihrem Gesundheitszustand in Zusammenhang stehen. Das könnte darauf hindeuten, wie der Gesundheitszustand den/die PatientIn verunsichert, beschämt oder beängstigt. Obwohl das nicht unbedingt inhaltlich medizinischer Natur ist, sollten solche Kommentare nicht unbeachtet bleiben. Wenn auf solche persönlichen Kommentare eingegangen wird, kann der/die ÄrztIn auf persönliche und freundliche Art Sicherheit vermitteln und der/dem PatientIn helfen, das Problem zu überwinden. Wenn solche Hürden mit Freundlichkeit überwunden werden, schafft das Vertrauen und wirkt sich positiv darauf aus, wie der/die PatientIn die Behandlung und die Behandlungsergebnisse wahrnimmt.
Nummer eins – Professionalität
Ganz oben auf der Liste der Dinge, die den PatientInnen wichtig sind, steht Professionalität. Dieser Begriff taucht in über 25.000 PatientInnenbewertungen auf. Professionalität ist zweifelsohne wichtig, sie zu definieren, ist jedoch häufig nicht so einfach, gerade im Gesundheitswesen. In ihrer Untersuchung aus dem Jahr 2005 überprüfte die Honorarprofessorin der Abteilung Allgemeinmedizin der Universität Melbourne, Ruth P McNair, drei Jahrzehnte an Literatur zum Thema Professionalität und identifizierte dabei neun zentrale Aspekte: Altruismus, Verantwortung, Exzellenz, Pflichtbewusstsein und Interessenvertretung, Service, Ehre, Integrität, Respekt anderen gegenüber, ethische und moralische Standards.
Sie sagt, dass diese Elemente die Grundlage eines Lehrplans im Bereich der Medizin sein sollten, der darauf zielt, Professionalität strukturiert zu vermitteln. Im Grunde würde so eine formelle Struktur auf etwas übertragen, das sonst eher einer vagen Idee gleicht. Ob diese Struktur nötig ist oder nicht, sei dahingestellt, für die PatientInnen ist Professionalität in jedem Fall eine Priorität. Professionalität ist nicht nur die wichtigste Qualität für die PatientInnen, es ist häufig auch das allererste, was sie in ihren Bewertungen erwähnen. Der plastische Chirurg Hr. Charles Bain wurde beispielsweise als „Professionell, empathisch und verständnisvoll! Bestes Erlebnis und bester Service von Anfang bis Ende.“ beschrieben.
Entsprechend der Überzeugung von Avedis Donabedian, dass PatientInnen in den Prozess integriert werden müssen, liegt auf der Hand, dass das Sammeln und die Umsetzung von Feedback entscheidend sind, um die eigenen Dienste und die Ergebnisse zu verbessern. Es ist essenziell zu verstehen, was den PatientInnen im sich kontinuierlich verändernden medizinischen Umfeld wirklich wichtig ist. ÄrztInnen müssen sich an diese wechselnden Prioritäten der PatientInnen anpassen. Der präsentierte Datensatz basiert auf Tausenden ÄrztInnen in den unterschiedlichsten Bereichen und kann deshalb nicht die Prioritäten von PatientInnen in einem bestimmten Kontext abbilden. Um zu verstehen, was den PatientInnen in einem bestimmten Bereich der Medizin oder gar in einer bestimmten Praxis oder Klinik wichtig ist, muss eben jene Praxis Feedback von ihren PatientInnen einholen. Das kann mit Hilfe eines Doctify-Profils proaktiv getan werden. Wenn zunehmend mehr Feedback der PatientInnen vorhanden ist, können Praxen ihre eigenen Schlagwortsuchen durchführen und herausfinden, was ihren PatientInnen am Herzen liegt.